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bitterlich su:ss

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sinnfreiheit's avatar
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ob du noch wein hast, will er wissen. die frage irritiert dich kurz, doch dann erinnerst du dich an das fast leere, tief rot gefärbte glas vor ihm. du bietest ihm wodka an und er verzieht das gesicht zu einer grimasse. den wodka trinkt er trotzdem. pur. warm. aus seinem rotweinglas. während du wieder zurück an den treffpunkt von wand und decke am anderen ende des raumes starrst, fragst du dich wie er es schafft. wie er soviel trinken kann. ob du ihn nach hause schicken solltest. ob es das ist, worunter menschen einen geselligen abend verstehen. vielleicht solltest du einfach mehr trinken. wenn ein schnaps zur verdauung in ordnung ist. wenn ein, drei feierabendbier keinen alkoholiker machen. wenn im rentenalter das trinken ab mittag kein problem darstellt. wieso sollte eine leichte vergiftung an drei aus sieben tagen für dich eine sucht sein.

er erzählt von menschen die du nicht kennst. von menschen an die du dich nicht erinnern kannst. irgendwas erzählt er immer. und du nickst und lächelst hier und da. du hast zwar keine ahnung wo er grad ist, aber es ist schön nicht allein zu sein. auch wenn du das gefühl hast ihr wärt wie entfernte sterne, einzig von einer galaxie zusammengehalten. und vielleicht ist sein oder dein licht schon lange erloschen und nur noch die erinnerung an ein leben scheint durchs dunkel.

doch hell wird es früh genug. und dann musst du wieder in den spiegel schauen. darauf achten, dass niemand das hämmern hinter deinen lidern erkennt. du nimmst augentropfen gegen die blutigen linien in deinen augäpfeln. ein hoch auf rezeptfreiheit. ein hoch auf das nasenspray, welches immer so zu kitzeln scheint und direkt hinter der stirn zwischen deinen augen piekst. ein hoch auf para-acetylaminophenol. hipphipp hurra.



ob es okeh ist, dass er raucht, fragt er dich. ihr seit bei fremden menschen. wie so oft. und du hast dich in die couchgarnitur gearbeitet, als würdest du dorthin gehören. du bist wie eines dieser ikea-kissen. ohne bedarf erstanden, weil das muster im ladens so schön war und der bezug ja auswechselbar ist. du rauchst im neun-minuten-takt. das weißt du so genau, weil es dich ein lied kostet die zigarette zu drehen, ein weiteres sie zu rauchen und das dritte dir zu sagen, dass du grade erst geraucht hast. du nickst still im takt der musik und dann wird dir klar, dass er nicht von zigaretten spricht.

vor jahren hast du aufgehört. einfach so. weil du es nicht mehr wolltest. und jetzt fängst du wieder an. aus dem moment heraus. um dir zu beweisen, dass du es nicht brauchst. weil dir grade kein grund dagegen einfällt. der geschmackt trifft dich unvorbereitet und fast vergisst du das ausatmen.

als du sagst, dass du etwas süßes möchtest, zwinkert dir jemand von der anderen seite des tisches entgegen. nicht dein typ, aber die konturen in deiner wahrnehmung sind eh schwammig. und wenn das brennen in deinem unterleib auffallend genung geworden ist, macht es keinen unterschied mehr. wenn dir selbst der weg zu diesem nervtötenden radiogedudel zu weit ist, wirst du erst recht nicht nach tiefgehenden emotionen in dir graben.



letzten monat war ihr geburtstag und du hattest zugesagt. das ist jetzt fast drei wochen her, meint sie. du bist eher überrascht vom farbenspiel der fallenden blätter. wie schnell sich die dinge doch verändern können. als sie sagt, dass du ein problem hättest, zuckst du schlaff mit den schultern und versuchst schuldbewusst auszusehen. vielleicht weint sie. vielleicht sind es aber auch nur tränen in deinen augen. selber unterschied. etwas warmes fährt dir übers gesicht und das wort hilfe schallt in deinen ohren. dir wird schwindelig von all der nervenerregung, die deinem hirn gemeldet wird und du fragst dich, ob er noch etwas süßes für dich hat.
.hipphipphurra.

mentions of drug(ab)use though
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Comments3
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danielzklein's avatar
weil das muster im ladens so schön war --> "laden" (glaube das s ist ein Tippfehler)

das brennen in deinem unterleib auffallend genung geworden ist, --> "genug"


Ich hab die englische Version auch gelesen und mir gefällt das Ding auf deutsch viel besser. Der Stil ist perfekt angepasst--die Kleinschreibung, die Lethargie in der Wortwahl, die Symmetrie mit der indirekten Rede mit der beide Abschnitte anfangen--sehr cool.

Wie verstehst du den letzten Satz? Warum erinnert die Erzählerin sich zu diesem Zeitpunkt an den Gedanken, ob er etwas süßes hat? Ich gehe davon aus, dass die Hauptszene zeitlich vor der Konversation mit der Freundin im Epilog stattgefunden hat. Das war der einzige Punkt der mir nicht komplett klar war.